Scrimshaw - gravieren unter dem Mikroskop - Horngravur (2024)

Den meisten wird der Begriff „Scrimshaw“ kaum bekannt sein. Schon eher hat man mal ein graviertes Pulverhorn oder einen verzierten Walknochen in einem Museum gesehen. Und aus dieser Zeit stammt diese Technik auch. Sie galt den Walfängern auf ihren langen Fahrten als Ablenkung und Beschäftigung.

Da wurden schon mal in aufwendiger Arbeit Fangszenen in Walknochen geritzt und mit Ruß zum Vorschein gebracht. Scrimshaw ist eigentlich nichts anderes. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, das auf einem wackligen Walfänger bei heftigem Wellengang zu machen. Wahrscheinlich würde ich alles gravieren, nur nicht das Werkstück. (Vielleicht sind so die Tattoos entstanden?!) Wie dem auch sei, da lob ich mir meine ruhige Arbeitsfläche und das Mikroskop, welches mir ermöglicht, noch genauer zu arbeiten.

Und schon sind wir da, wo wir hin wollten: Scrimshaw sind kleinste, filigrane Gravuren auf meist tierischem Material, welche unter dem Mikroskop gefertigt werden. Hauptsächlich kommen Knochen, Horn und fossiles Mammutelfenbein zum Einsatz. Natürlich ginge es auch auf Elefantenelfenbein, was aber aus ethischen Gründen ein No-Go ist. Ebenso sind Walzähne und dergleichen eher schwierig. Dafür gibt es dann den Elfenbeinersatz, der aus künstlichem Material hergestellt wird und sich (für meinen Geschmack) am Besten gravieren lässt.

Die Vorbereitung

Die Arbeitsschritte und Techniken bleiben jedoch, egal bei welchem Material, die selben:
Anfangs steht das Zuschneiden und Schleifen. Dabei wird das Material bis in den 2000er Bereich geschliffen und dann poliert, denn Grundvoraussetzung ist eine spiegelähnliche Fläche. Jeder noch so feine Kratzer wird später auf dem Werkstück zu sehen sein. Gut, für den Kunden vielleicht nicht. Aber ich sehe das unter dem Mikroskop und mich macht sowas wahnsinnig!

Ist das Teil dann soweit fertig, wird die Vorlage auf die entsprechende Größe gebracht. Oftmals für den Drucker ein Ding der Unmöglichkeit. Aber so lang ich die Grundrisse habe, ist noch alles im grünen Bereich. Danach kommt das Übertragen. Anhand des Beispieles, „Wie bekomme ich vier Nymphen und einen stattlichen Satyr auf 3 qcm?“, dürfte jedem klar sein, dass das mal nicht eben gemacht ist. Wenn es das Motiv zulässt, versuche ich es mit Hilfe von Kohlepapier „abzuzeichnen“.

Moment! Wie hält Kohlepapier auf einer spiegelglatten Fläche?, werden sich jetzt einige fragen. Richtig! Gar nicht! Deswegen wird bei dieser „Übertragungsform“ das Werkstück erst hauchdünn mit Deckweiß eingerieben. So bleibt die Kohle hängen. Oder auch nicht. Das ist oftmals Tagesform-abhängig, habe ich das Gefühl. Mal klappt es, mal nicht.

Was aber, wenns mal nicht klappt? Dann bleibt nur eins, das, was auch bei sehr filigranen Motiven meistens gemacht wird: Man sticht die Grundrisse durch das Papier hindurch gleich in das Material. Dabei sollte man darauf achten, tief genug zu stechen. Piekt man nämlich nur das Papier an, ist dieses zwar zerstochen, aber man hat keine Grundrisse auf dem Werkstück.

Die Technik

Auch ist da schon abzuwägen, welche „Gravurtechnik“ man verwenden möchte. Es gibt die „Ritztechnik“, bei der die Gravur aus einzelnen Strichen besteht oder die „Punktiertechnik“, in der das Motiv Punkt für Punkt in das Material eingestochen wird. Bei beiden gilt: Je tiefer und enger die Striche oder Punkte gesetzt werden, desto dunkler erscheint die Fläche dann nach dem Einfärben.

Das Einfärben. Ohne das geht gar nichts. Doch, ginge schon, nur sieht man danach nichts. Also wird nach jedem Abschnitt, ein paar Punkten, je nachdem, das gesamte Material mit Ölfarbe eingefärbt. Wa(h)lweise geht auch Acrylfarbe oder, wie es früher verwendet wurde Ruß. Meine allerersten Gravuren (auf Trinkhörnern), habe ich damals mit eingefärbten Bienenwachs gefärbt. Das war mal eine Sauerei, bis sich die Asche mit dem flüssigen Wachs verbunden hatte und am Ende des Tages musste ich einen halben Bienenstock aus dem Fenster jagen.

Heutzutage gibt es natürlich viel einfachere Methoden, um ebenfalls nach Rom .. äh zum Ergebnis zu kommen. Und sind wir mal ehrlich. Hätten die alten Wikinger sich die Arbeit nicht auch erleichtert, wenn sie die entsprechenden Werkzeuge gehabt hätten?

Aber zurück zum Gravieren. Ist das „Motiv“ mal drauf, heißt es, Stunden lang über dem Mikroskop sitzen und ruhiges Händchen bewahren. Noch ruhiger als beim Trinkhorngravieren. Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch. Aber das kann ich. So lang, bis ich meine, mir fällt der Kopf vom steifen Nacken. Aber zu sehen, wie das Motiv unter den Händen wächst, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Vor allem, weil einem gerade diese Technik so viel offen lässt, was Schattierungen und „Farbgebungen“ angeht. Die Profis gravieren sogar in Farbe. Ich habe es des Öfteren versucht, bin aber kläglich gescheitert. Außerdem gefallen mir schwarz-weiße Gravuren besser. Ich bin auch kein Fan von farbigen Tattoos.

Das Werkzeug

Apropos Tattoos. Mit was wird sowas eigentlich eingestochen oder geritzt?

Kurze Antwort: Mit allem, was spitz und scharf ist. Anfangs habe ich mit einer zugeschliffenen Dartspitze angefangen. Dann kam eine Ahle. Für die Anfänge passend, gerade recht zum Ausprobieren. Aber das war mir nicht genug. Ich wollte das alles feiner haben. Denn je feiner, desto fließender sind die Übergänge. Da wars ein glücklicher Umstand, dass ich von einem Freund einen Tattookoffer geschenkt bekam. Mit Nadeln! Perfekt!

Fast … Je mehr ich mich mit diesem Werkzeug vertraut gemacht hatte, um so „gröber“ kam es mir vor. Gerade wenn man durch das Mikroskop schaut. Da graviert man ja mit Baumstämmen! Also bin ich jetzt gerade an dem Punkt, an dem ich meine Gravuren mit einer noch feiner geschliffenen 1er-Tattoonadel fertige.

Natürlich gibt es noch einige andere Methoden, die beim Scrimshaw verwendet werden. Aber das würde den Rahmen hier sprengen. Ich für meinen Teil bin so jetzt schon recht zufrieden, auch wenn das Ganze natürlich noch weit ausbaufähiger ist ;-).

Anhand der Bilder werdet ihr erahnen, dass so ein Werkstück nicht innerhalb weniger Tage fertig sein kann. Gerade wenn ich mit Ölfarbe arbeite, dauert es immer einen Tag, bis diese richtig getrocknet ist und nicht beim nächsten Abwischen wieder aus der Gravur gezogen wird. Auch ist es anstrengend, 12 Stunden am Tag durch ein Mikroskop zu sehen. Nicht nur, weil einem dann irgendwann der Kopf abfällt.

​Solltet ihr jedoch Wünsche für ein spezielles Geschenk oder einfach eine Idee für euch haben, meldet euch bei mir. Ich berate euch gerne!

Nachruf

An dieser Stelle möchte ich unserem Freund Manne danken. Ich habe ihn als Mentor gesehen und wahnsinnig viel von ihm gelernt. Ohne seine Unterstützung, seine Erfahrung, die er offen mit mir geteilt hat und seine aufbauenden Worte, wenn ich mal am Verzweifeln war, wäre ich nie so weit gekommen. Es tat gut, sich mit einem „Gleichgesinnten“ auszutauschen und die Challanges, welche wir untereinander ausgetragen haben, waren viel zu wenige. Uns blieb leider auch nicht die Zeit, uns öfter zu treffen und persönlich auszutauschen.

~ Vielen Dank für Alles, „Manni, das Mammut“ ~

Galerie Scrimshaw

Bilder „Scrimshaw“ © Horngravur.de

Scrimshaw - gravieren unter dem Mikroskop - Horngravur (2024)
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Author: Patricia Veum II

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